Pressemitteilungen

Kampagne 2014 gegen sexuellen Missbrauch

7. Oktober 2014

"Ich will, dass es aufhört!" - diesen Satz hören die Beraterinnen und Therapeutinnen der Beratungsstelle von IMMA häufig von Mädchen, die von sexueller Gewalt betroffen sind. Hinter ihnen liegen dann schon einige Gespräche, denn die klassischen Einstiegsthemen der Mädchen sind Probleme in der Familie, Schule oder mit dem Freundeskreis. "Oft merken wir erst in der Beratung, dass hinter den schlechten Noten in der Schule oder den Problemen mit dem ersten Freund ursächlich eine zurückliegende oder aktuelle Gewalterfahrung liegt", erklärt Andrea Bergmayr, Leiterin der Beratungsstelle von IMMA.

Auch wenn die öffentliche Debatte über sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen zurückgeht, Missbrauch passiert heute wie gestern. Allein im vergangen Jahr wurden in der IMMA Beratungsstelle in 287 Fällen Beratungen aufgrund von sexueller Gewalt an Mädchen und jungen Frauen durchgeführt. Darunter fallen alle Formen von sexueller Grenzverletzung, sexuellen Übergriffen bis hin zu sexuellem Missbrauch.

Mädchen werden mehrheitlich nicht von einem unbekannten, sondern von ihnen bekannten Tätern aus der Familie (Stiefvater, Onkel) und dem sozialem Nahbereich (Nachbarn, Bekannte) missbraucht. "Täter testen wie sich das Mädchen und ihr Umfeld nach Übergriffen verhält", sagt Bergmayr. "Vertraut sich das Mädchen zum Beispiel der Mutter oder einer Lehrerin an, wird sich der Täter eventuell zurückziehen. Wenn das Mädchen jedoch keinen Schutz erfährt, macht er weiter und steigert seine Übergriffe möglicherweise bis zum Missbrauch."

Deshalb ist es so wichtig, dass Eltern, Fachkräfte und LehrerInnen wachsam für sexuelle Gewalt an Kindern sind und sich frühzeitig bei ausgewiesenen Beratungsstellen wie zum Beispiel IMMA Rat und Hilfe holen. "Wenn ein Kind erlebt, dass ihm geglaubt und dass es geschützt wird, dann ist die Chance groß, dass dieses Kind das Erlebte gut verarbeiten kann", sagt Andrea Bergmayr.


Zur Kampagne werden ab Mitte Oktober an Münchner Schulen, U-Bahnlinien, U- und S-Bahnhöfen Plakate erscheinen.

Kampagnenmotiv Poster A1 (PDF, 2,2 MB)
Kampagnenmotiv Poster A2 (PDF, 1,6 MB)
Pressemitteilung (PDF, 183 KB)


Pressekontakt:
Andrea Bergmayr, Einrichtungsleiterin, Beratungsstelle IMMA
Jahnstraße 38, 80469 München
Tel. 089 / 2607531, Mobil: 0176 / 76 85 34 05
E-Mail: beratungsstelle@imma.de
Internet: www.imma.de

Die IMMA Beratungsstelle berät Mädchen und junge Frauen bei unterschiedlichen Problemlagen in der Familie, Schule oder im Freundeskreis. Darunter sind Gewalterfahrungen der häufigste Beratungsgrund. Hierzu gehört körperliche, psychische und sexuelle Gewalt ebenso wie häusliche Gewalt. 2013 wurden von der Beratungsstelle insgesamt 1.033 Personen unterstützt, davon waren 380 Mädchen und junge Frauen. Die restlichen beratenen Personen waren Fachkräfte, LehrerInnen, Angehörige und Freunde der Mädchen. In 287 Fällen war sexuelle Gewalt der häufigste Beratungsgrund.

IMMA e. V. Initiative für Münchner Mädchen setzt sich seit 1985 für Mädchen und junge Frauen mit unterschiedlichen Problemen ein. Gerade in Fällen von sexuellem Missbrauch und Gewalt ist rasche, unbürokratische und diskrete Hilfe gefragt. IMMA berät kostenfrei und bietet Zuflucht. Darüber hinaus unterstützen wir Angehörige sowie Fachkräfte und leisten Sensibilisierungs- und Bewusstseinsarbeit. IMMA hat sieben Einrichtungen und wird durch städtische Gelder und Spenden finanziert.


Spendenkonto:
Bank für Sozialwirtschaft
IBAN DE20700205000007803801
BIC BFSWDE33MUE

Informationen über sexuellen Missbrauch

Präzise und einheitliche Aussagen zum Ausmaß, zur Dauer und zur Art von sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen lassen sich nicht formulieren, da sich die gängigen repräsentativen Studien (Häuser et. al., 2011, Bieneck et. al./KFN 2011) z.B. nicht auf gleiche Altersklassen oder Definitionen von sexueller Gewalt / sexuellem Missbrauch beziehen. Auch die Polizeiliche Kriminalstatistik gibt nur bedingt Aufschluss, da sie nur Aussagen zum Hellfeld machen kann - also den Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die angezeigt und in denen strafrechtlich ermittelt wurde.



Aussagen zur Häufigkeit von sexueller Gewalt an Mädchen und Jungen:
Straftatbestände wegen sexuellen Missbrauchs an Kindern in Bayern 2012

  • Mehr als jede Zehnte/jeder Zehnte hat in seiner Kindheit und Jugend sexuellen Missbrauch erlebt (Häuser et. al., 2011).
  • Jedes vierte bis fünfte Mädchen und jeder neunte bis zwölfte Junge machen vor ihrem 18. Lebensjahr mindestens eine sexuelle Gewalterfahrung (Zartbitter Köln, Homepage)
  • 6,4 Prozent der Mädchen und 1,3 Prozent der Jungen < 16 Jahren sind von sexuellem Missbrauch betroffen. (KFN, 2011 / Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen)
  • In Bayern wurden 2012 im Hellfeld insgesamt 1.832 Straftaten wegen sexuellen Missbrauchs an Kindern < 14 Jahren polizeilich erfasst (PKS Bayern, 2012 / Polizeiliche Kriminalstatistik für den Freistaat Bayern).
  • In Bayern ist das Risiko für Mädchen zwischen 6 < 14 Jahren drei Mal höher als für einen Jungen sexuell missbraucht zu werden. Ein Beispiel: Von 100.000 Mädchen im Alter zwischen 6 < 14 Jahren, werden 254 Opfer von sexuellem Missbrauch, während von 100.000 Jungs gleichen Alters 84 Opfer von sexuellem Missbrauch werden (PKS Bayern, 2012 / Polizeiliche Kriminalstatistik für den Freistaat Bayern).

Zentrale Tätergruppen

  • Rund 95 Prozent der Täter sind männlich (KFN, 2011)
  • Nur knapp in jedem vierten Fall (23,3 %), wird die Tat von einem unbekannten Täter/in durchgeführt.
  • In über 75 Prozent der Fälle besteht zwischen Opfer und Täter eine Beziehung. Davon stammen ca. 50 Prozent aus dem sozialen Nahbereich (insbes. Freunde, Bekannte, Nachbarn der Eltern), ca. 35 Prozent aus der Familie selbst (insbes. Väter, Stiefväter) ca. 15% aus der Verwandtschaft (insbes. Onkel) (alle Zahlen, KFN 2011)

Dauer von sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen

  • Die durchschnittliche Dauer des sexuellen Missbrauchs an Kindern vor dem 10. Lebensjahr beträgt 6,7 Jahre; nach dem 10. Lebensjahr 3,8 Jahre (Opferstatistik § 176 StGB, Bayern, 2009, zitiert nach Gesundheitsamt Weilheim in OB).

Dunkelziffer

  • Das Innenministerium geht im Deliktbereich des sexuellen Missbrauchs an Kindern von einer "hohen Dunkelziffer" aus, quantifiziert diese aber nicht weiter. (PKS Deutschland, 2012). Das KFN geht beim Straftatbestand des sexuellen Missbrauchs von einem drei Mal höheren Dunkelfeld aus, d. h, dass ca. 2/3 aller Fälle den Ermittlern nicht bekannt werden (KFN, 2011).